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2. Advent
Psalm 80, 2a.3b „Du Hirte Israels, höre, der du Josef hütest wie Schafe! Erscheine … erwecke deine Kraft und komm uns zu Hilfe!“
In diesem Psalm geht es um Befreiung, Heil und Heilung. Der Ruf danach steht neben Worten zu Krieg und Zerstörung. Eine Alltäglichkeit in Israel - damals wie heute. Manchmal mag ich nicht mehr hinsehen und hinhören auf die Nachrichten aus Funk und Fernsehen. Oft ist es nicht die Gleichgültigkeit, sondern ein tief empfundenes Gefühl von Ohnmacht und Überforderung.
Die Welt will abtauchen in „vorweihnachtlichen“ Glanz, besinnlich werden, glühweinselig und lebkuchengesellig. Streng genommen ist der Advent keine „Vorweihnachtszeit“, sondern eine Fasten- und Besinnungszeit auf Weihnachten.
Letztlich ist die Diskrepanz, die wir bei dem adventlichen Bummel über den Weihnachtsmarkt instinktiv empfinden, zwischen dem Lichterglanz vor dem Kaufhaus und dem bettelnden Obdachlosen davor, genau das, worum es geht. Aber das Kind von Weihnachten, Jesus, will im Dunkel wohnen. Dem Obdachlosen Solidarität und Heimat geben. Sicherheit und Angenommensein. Jesus Christus hat keine anderen Hände, als unsere Hände und keine anderen Füße, als unsere Füße. Doch wie oft ertappe ich mich dabei schnell vorüberzugehen und wie oft denke ich über die vielen Menschen, die es mir gleich tun, nach. Ist es Abgestumpftheit, ist es der Ekel vor dem Elend, ist es Ohnmacht? Ich tappe im Dunkel dieser Fragen. Und ich merke, wie ich mich nach dem Erscheinen Gottes sehne. Nach dem, der mir Kraft erweckt und Hilfe bringt. Christen fällt es oft schwer, sich auf ein Leben mit offenen Fragen einzulassen. Hat Gott nicht in Jesus all sein Licht und seine Liebe offenbart? Muss es da nicht doch eine Antwort auf alle Fragen geben, die mich entlastet, weil sie trägt und einleuchtet? Jüdische Bibelausleger sagen, dass das Licht auf Gottes Angesicht sein Gebot ist. Freue dich über das Licht, das Gott dir schenkt. Daraus erwachsen Kraft und Hoffnung. Wer ein Leben rettet, rettet die Welt. Das, was in unserer Macht steht zu tun, ist schon sehr viel. Dabei empfänglich zu sein, Gottes Gnade zu spüren. Lass dir genug sein damit, dass du beten kannst, wo du mit deiner Kraft am Ende bist. Denn genau das macht der Beter unseres Psalms. Er lässt sich nicht erdrücken, von den weltlichen Nachrichten, sondern öffnet sich zu Gott hin.
Gebet
Gott, du kennst uns.
Du weißt, wie oft wir deprimiert aufgeben wollen,
wenn das Elend der Welt uns zu sehr belastet. Wir danken dir für das Beispiel von Menschen,
die an dich glauben, die im Vertrauen auf dich für andere eintreten
und nicht vergessen, die Not der anderen im Gebet vor dich zu tragen.
Wir bitten dich:
Stärke unseren Glauben,
damit auch wir mutiger für andere eintreten
und geduldiger beten, für die, die unsere Fürbitte brauchen.
Wir vertrauen darauf, dass alles bei dir gut aufgehoben ist.
Dein Name sei gelobt, denn erweckst uns Kraft.
Amen
Pfarrer Winfried Schön
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