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3. Advent
Psalm 85, 8.11 “Herr erweise uns deine Gnade und gib uns dein Heil, … dass Güte und Treue einander begegnen, Gerechtigkeit und Frieden sich küssen.“
Dieser Psalm gewinnt mich, vor allem durch seine grandiosen Bilder, mit denen er uns die ersehnte Welt vor Augen malt, in der Gott lebendig ist, an Bedeutung. Güte und Treue, Gerechtigkeit und Frieden werden besungen, sie nehmen Gestalt an, werden gleichsam zu Personen, kommen in Bewegung. Das Bild ist poetisch ausgemalt und will weitergezeichnet werden. Will uns mitnehmen. In diesem leidenschaftlichen Psalm drückt sich eine adventliche Sehnsucht aus, die uns verheißen ist. Weihnachten nähert sich und mit Weihnachten die Geburt des Friedefürsten, des gerechten Menschen, von Gott erwählt.
Diese vier Begriffe greifen ineinander und bedingen sich - biblisch gesehen. Jesus verkörpert sie. Sie stehen aber auch für sich. Frieden ohne Gerechtigkeit ist falscher Frieden, fauler Zauber. Güte und Treue gehören zusammen, damit etwas Fruchtbares in der Beziehung von Menschen zueinander entstehen kann. Treue ohne Güte hat etwas Seelenloses, etwas Hartherziges.
Diese Sehnsucht nach aufrichtiger ehrlicher Beziehung zwischen Menschen, die auch tragfähig ist, bedeutet, in den durch das Leben gesetzten Grenzen, einander liebevoll anzunehmen. Wie oft prallen da an Heiligabend und an Feiertagen überzogene harmonisierende Erwartungen an die Familie aufeinander. Für Menschen, die im Bereich Krisenintervention arbeiten, ist der zweite Weihnachtstag ein sehr schwerer Arbeitstag. Gerade da ist oft der zeitliche Bogen überspannt, an denen Menschen einander sich etwas vorspielen können. Die ersehnte Harmonie und Nähe wird zur Belastung, wo Friede, Freude und Eierkuchen herrschen. Der Beter des Psalms ermutigt uns, bei aller, Verschiedenheit, in einem gerechten Anerkennen von unterschiedlichen Sehnsüchten, Hoffnungen und Bedürfnissen, Friede auf Erden zu finden. Dazu gehören wohl auch ehrliche und offene Worte zur rechten Zeit. In Güte und Treue. Zum Advent mag es auch gehören, nachzuspüren, was uns an den Weihnachtstagen gut täte und was eher eine Belastung für uns wäre und ist. Ein klares Wort zuvor vermag viele Verletzungen verhindern. Wo Güte und Treue einander begegnen, da verlernen Menschen die Boshaftigkeit. Keiner lässt den anderen im Stich.
Gebet
Ach Gott,
soviel Wortgeklapper, soviel greller Lärm,
so viel Worte von Hass und Resignation dringen in unsere Ohren,
dass wir sie oft auf Durchzug stellen.
Öffne uns die Ohren für das, was du redest.
Wenn du sagst „Friede“,
dann hilf uns unsrer Panzer und Drohgebärden abzulegen,
und mach uns bereit zur Versöhnung.
Wenn Güte und Treue sich begegnen,
dann lade uns ein zu diesem Treffen.
Wenn Gerechtigkeit und Frieden sich küssen,
dann wecke auch unsere Lust an ihnen.
Überall wo Treue aus der Erde keimt,
da wollen wir sie hegen und pflegen, damit sie wächst und gedeiht.
Wo Gerechtigkeit vom Himmel hernieder schaut,
da möchten wir unsere Augen heben, damit wir sie im Blick behalten.
Das Gute, das du gibst, und den Ertrag unseres Landes
nehmen wir dankbar an, auf dass es alle genießen.
Nach deiner Gerechtigkeit lass uns Ausschau halten
Und den Spuren deines Heils voller Hoffnung folgen. Amen
Winfried Schön
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